Versuch demokratische Rechte einzuschränken


Referat von Dr. Ulrich Schlüer (ZH), an der Medienkonferenz vom 8. Juli 2008, zur Einreichung der Volksinitiative "Gegen den Bau von Minaretten".

Eine Volksinitiative, so schreibt es die Verfassung vor, darf zwingendem Völkerrecht nicht widersprechen. Die Normen des zwingenden Völkerrechts sind in der Verfassung aufgeführt. Eine Volksinitiative darf demnach weder gegen das Sklavereiverbot noch gegen das Genozid-Verbot und das Folterverbot verstossen.

Niemand hat bis heute behauptet, ein Minarett-Verbot habe mit Sklaverei, Genozid oder Folter zu tun. Wer die Anti-Minarett-Initiative der Volksabstimmung vorenthalten will - und das wollen einige -, kann mit zwingendem Völkerrecht also nicht operieren.

Völkerrecht, Rechtsordnung und Demokratie

Es gibt indessen nicht zu unterschätzende Kräfte, welche die Anti-Minarett-Initiative nicht an der Urne in offener, demokratischer Auseinandersetzung bekämpfen wollen; sie wollen die Abstimmung darüber vielmehr verbieten bzw. verhindern. Dazu versuchen sie, Völkerrecht neu zu interpretieren. Allerdings nicht so, dass sie - zum Beispiel mittels Volksinitiative - auf demokratischem Weg offen für eine Erweiterung der Gründe für die Ungültig-Erklärung von Initiativen kämpfen. Sie scheuen offenbar Volksabstimmungen. Sie wollen demokratische Rechte überspielen, indem sie internationale Vereinbarungen geschriebener oder ungeschriebener Natur zusätzlich in den Rang von Völkerrecht erheben wollen, womit sie nationalem Verfassungsrecht überzuordnen seien.

Dazu ist grundsätzlich festzuhalten: Als gerecht beurteilte Rechtsordnungen sind der Menschheit nicht einfach als Geschenke aus dem Himmel zugefallen. Um Rechtsordnungen ist in der Demokratie gerungen worden, wird in der Demokratie weiterhin gerungen. Dabei hat sich gezeigt: Eine Rechtsordnung vermag Recht dann am besten zu garantieren, wenn sie in der Demokratie, wenn sie durch das Volk entstanden ist. Rechtsstaat und Demokratie sind siamesische Zwillinge. Das in der Demokratie, in jahrelangem öffentlichen Wettstreit der Meinungen entstandene Recht vermochte sich in der Gesellschaft am nachhaltigsten zu verankern - weil eine vom Volk selbst geschaffene Rechtsordnung von einer sehr breiten Mehrheit dieses Volkes auch als gerecht anerkannt - und damit geachtet wird. Wer hingegen den Rechtsstaat gegen die Demokratie auszuspielen sucht, der bedrängt nicht bloss die Demokratie, er schadet auch dem Rechtsstaat und seiner soliden Verankerung in der Bevölkerung.

Versuche zur Abstimmungs-Verhinderung

Jene, die gegen die Minarett-Initiative internationale Normen - behauptete oder tatsächliche - anrufen mit dem Ziel, die Abstimmung über diese Initiative zu verbieten, stützen sich auf Rechtsgrundsätze, die auf der Grundlage der "rule of law" als von der gesamten Menschheit respektiert erklärt werden, womit sie auch für die gesamte Menschheit verbindlich seien. Ich stütze mich, wenn ich diese Feststellungen zusammenfasse, auf Ausführungen, die der frühere Direktor des Bundesamtes für Justiz, Professor Dr. Heinrich Koller, am 29. Februar dieses Jahres dem Europa-Institut in Zürich - ausdrücklich mit der Minarett-Initiative im Visier - vorgetragen hat. Zu den sogenannten "notstandsfesten Grundrechten" zählte Koller dabei auch die Religionsfreiheit.

Da ist zunächst zu wiederholen: Die Anti-Minarett-Initiative respektiert die Religionsfreiheit vollumfänglich. Das Minarett hat mit Religionsfreiheit überhaupt nichts zu tun. In Moscheen, die keine Minarette aufweisen, erleben Muslime keinerlei Beeinträchtigung bei ihren religiösen Verrichtungen.

Wenn indessen die Religionsfreiheit als global respektierte Norm gelten soll, dann muss dazu auch der Beweis erbracht werden, dass sie tatsächlich in jedem Land dieser Erde, von jeder Weltreligion dieser Erde vollumfänglich respektiert und gelebt wird. Reziprozität müsste ohne Einschränkung gelten - global gelten. Gilt diese Reziprozität tatsächlich? Ist der Islam, der allenfalls Religionsfreiheit in jenen Ländern verlangt, wo Muslime Minderheiten bilden, selbst auch nur annähernd bereit, in den islamischen Staaten, wo Anhänger anderer Religionen Minderheiten bilden, uneingeschränkte Religionsfreiheit zu gewährleisten? Geniessen Christen in der Türkei (wo sie keine Kirchen bauen dürfen), in Saudi-Arabien (wo christliche Bauten verboten sind), in Malaysia (wo Religionswechsel nur zum Islam, nicht aber vom Islam weg gestattet ist), auch nur annähernd Religionsfreiheit?

Wer die Religionsfreiheit als global gültige und respektierte Norm bezeichnet, muss den Beweis erbringen, dass sie tatsächlich globale Gültigkeit hat, andernfalls erfüllt sie die Voraussetzungen für eine über nationalem Recht stehende internationale Norm eindeutig nicht.

Demokratie hat Vorrang

Die Schlussfolgerung ist klar: Die Frage von Zulassung oder Verbot von Minaretten ist in der Schweiz demokratisch zu regeln. Die Versuche, unsere Initiative auf juristischem Feld zu erledigen, entlarven die Befürworter solcher Bestrebungen als Gegner der direkten Demokratie. In der Schweiz hat sich noch immer gezeigt, dass gerade auch von einzelnen Kräften, von Juristen und Verwaltung als angeblich «schwierige Fragen» eingestufte Gegebenheiten in der demokratischen Ausmarchung durchaus so geregelt werden konnten und können, dass den vom Volk schliesslich beschlossenen Lösungen auch breiter Respekt entgegengebracht wird. Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die politische Stabilität der demokratischen Schweiz.


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